Alles Glas – oder was?

 

Vor einigen Wochen wurde ich von meinem Chef gebeten, aus einem Buch eines Adressverlages alle Stichworte herauszuschreiben, die mit dem Thema „Glas“ zu tun haben. Zunächst dachte ich, dass kann ja nicht viel sein, doch als ich die ­alphabetisch geordneten Stichworte durchging, stellte ich verwundert fest, dass „Glas“ in den meisten Lebensbereichen und Industriezweigen ge- und verbraucht wird. Im folgenden möchte ich aufzeigen, in welch vielfältiger Weise ich als Sehbehinderter mit dem Rohstoff „Glas“ in Berührung kam und komme.

Es begann bereits bei meiner Geburt. Elektrische „Leuchtkörper“ erhellten vor 35 Jahren den Kreißsaal in einer Landauer Privatklinik. Ich selbst konnte zu diesem Zeitpunkt bestenfalls Hell und Dunkel erkennen; denn meine Augenlinsen waren kalkweiß. „Angeborener Grauer Star“ lautete die Diagnose und im Alter von 10 Monaten wurde ich erstmals operiert.

Neben dem bereits erwähnten „Grauen Star“ ha­be ich noch bei der Verteilung folgender, nicht ge­rade erstrebenswerter, Dinge „hier“ gerufen: Grüner Star, Hornhauttrübungen (Kalkablagerungen) und Pendel-Nystagmus. Das dies der Seh­kraft nicht gerade gut tat, werden Sie sicher ver­stehen. Heute bin ich auf einem Auge völlig blind und mit dem Restsehvermögen des anderen ver­suche ich, möglichst viel zu „sehen“, vor allem das, was man nicht sehen soll.

Seit meinem 2. Lebensjahr helfen mir dabei Bril­len und Lupen. Früher waren diese Sehhilfen aus Glas und hatten ein erhebliches Gewicht. Die Brillengläser, wie ich sie benötigte, waren so dick, dass sie in keiner noch so breiten Fassung Platz hatten. Ich ging, sehr zum Leidwesen mei­ner Eltern und der Krankenkasse, nicht gerade sorgsam mit meiner ersten und den vielen folgenden Sehhilfen um. Zum Lesen setzte ich eine Fern- und Nahbrille übereinander oder hielt eine Lupe vors Glas. Beide Methoden verursachten mit steter Regelmäßigkeit Kratzer.

Heute trage ich eine Brille aus Titan mit zum Rand hin abgeflachten Kunststoffgläsern. Eine spezielle Beschichtung soll vor dem Verkratzen schützen, - ob es etwas nützt?

Eine weitere Sehhilfe, die ohne Verwendung von „Glas“ kaum vorstellbar wäre, ist das elektroni­sche Bildschirm-Lesegerät. Ich kann damit heu­te schneller und bequemer lesen und schreiben, als früher. Wenn ich unterwegs bin, benutze ich zum Lesen von Straßennamen und zur Orientie­rung ein „Monokular“. Es hilft mir auch beim Le­sen von Fahrplänen, die ich, wenn sie zu weit hinter „Scheiben“ sind, mit der Lupe nicht mehr erken­nen kann.

Im öffentlichen Bereich gibt es immer wieder Ge­bäude wie z. B. Kaufhäuser, Verwaltungen oder Krankenhäuser, bei denen Eingänge oder Zwischentüren aus „Glas“ sind. Ab und an stehen mir diese „gläsernen“ Durchgänge urplötzlich im Weg und ich berühre sie sehr unsanft. Bisher habe ich - und auch diese „Scheiben“ - noch keine nennenswerten Schäden aus solchen Be­gegnungen davongetragen.

Das zuletzt Geschriebene kann ich von „Trink­gläsern“ nicht behaupten. Solange sich im „Glas“ eine Flüssigkeit befindet, die trüber ist als Mineralwasser oder Zitronenlimonade, be­steht keine Gefahr. Leere „Gläser" stürzen öfter, wie von Geisterhand berührt, vom Tisch oder ich versuche, etwas auf sie zu stellen.

Zum Schluss noch zwei Beispiele dafür, was ei­nem beim nicht sachgemäßen Umgang mit „Glas“ so passieren kann.

Wie ich schon erwähnte, ging ich in meiner Kind­heit nicht gerade zimperlich mit meinen Brillen um. Einmal wäre das, im wahrsten Sinne des Wortes, fast ins Auge gegangen. Ich stürzte beim Toben von einem Traktor-Anhänger. Dabei löste sich das linke Brillenglas nach innen aus der Fassung. Ein roter Kranz in der Augenhöhle war die Folge. Wäre das „Glas“ gesplittert, wäre ich heute wahrscheinlich auf beiden Augen blind.

Vor etwa einem Jahr ging ich mit meiner blinden Frau in eine Koblenzer Karten-Vorverkaufsstelle, um 2 Konzertkarten zu kaufen. Als wir den Laden betraten, sagte ich: „Vorsicht, da steht ein riesiges Werbeschild in einem 1 x 2 m großen Bilderrahmen. Soweit, so gut! Wir liefen um dieses Hindernis. Wir taten dies auch noch beim Verlassen des Geschäftes. Dann fiel uns ein, dass wir etwas vergessen hatten. Wir betraten den Laden erneut, und da ist es dann passiert! Es gab einen fürchterlichen Knall neben uns, und die Scheibe des Rahmens war in viele Scherben zersprungen. Glücklicherweise mussten wir den entstandenen Schaden nicht ersetzen.

 

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